öffentliche Verwendung von Kennzeichen einer ehem. nationalsozialistischen Organisation

 

Eine interessante Entscheidung zur Frage der öffentlichen Verwendung von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation (§§ 86 Abs. 1, 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde eingelegt; über diese
 ist noch nicht entschieden.



wegen Verwend. Kennz. verf. wid. Organisationen hat die                    beschlossen

1. Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der   
    Angeschuldigten trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.
Den Angeschuldigten wird durch Anklageschrift der           die öffentliche Verwendung von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation vorgeworfen.

Im Einzelnen geht es um folgenden Strafvorwurf:

1.
Vom     auf den        besuchten die Angeschuldigten gemeinsam das     -Festival in       . Auf einem allgemein zugänglichen Zeltplatz, auf welchem neben den Angeschuldigten noch eine Vielzahl anderer Festivalteilnehmer campierten, legten die Angeschuldigten ein großes und damit für Jedermann sichtbares Hakenkreuz aus Papier, brachten in der Mitte des Kreuzes einen Nagel an und setzten sich anschließend in einem Kreis um das Kreuz herum und spielten ein sogenanntes Hammerspiel, bei welchem jeder der Teilnehmer mit einem Hammer auf den in der Mitte befindlichen Nagel zu schlagen hatte. Dieses Vorgehen der Angeschuldigten war für die anderen, auf dem Campinggelände anwesenden Festivalbesucher ohne weiteres wahrnehmbar.

2.
Während des gesamten Wochenendes war der Angeschuldigte        zudem mit einer kurzen Hose bekleidet. Hierdurch zeigte der Angeschuldigte für Jedermann deutlich sichtbar eine auf der linken Wade angebrachte Hakenkreuztätowierung.

II.

Hinsichtlich dieses Tatvorwurfs besteht ein hinreichender Tatverdacht gemäß § 203 StPO nicht, sodass die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abzulehnen war:

Soweit dem Angeschuldigten       das Zeigen einer auf der linken Wade angebrachten Hakenkreuztätowierung vorgeworfen wird, ist nach Aktenlage ein hinreichender Tatverdacht des öffentlichen Verwendens des Hakenkreuz nicht gegeben.

Die Tatbestandsalternative des öffentlichen Verwendens setzt voraus, dass der Täter einen solchen Gegenstand so gebraucht, dass das Kennzeichen ohne Weiteres von einer unbestimmten Vielzahl von Personen optisch wahrgenommen werden kann (OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Dezember 2010, Aktenzeichen: 2090 Js 22934/09   1SS227/10).

Der Tatverdacht bezüglich des Angeschuldigten        beruht vorliegend auf der Videosequenz aus dem Mobiltelefon des Mitangeschuldigten            sowie den Angaben des Mitangeschuldigten           .

Nach Inaugenscheinnahme der Videosequenz steht für das Gericht jedoch lediglich fest, dass der Angeschuldigte          , der offensichtlich zum Tatzeitpunkt ein Hakenkreuz mit Kugelschreiber auf seine tätowierte Wade gemalt haben mag, diese Wade im Rahmen eines Stuhlkreises und auf einem Gummitier schlafend gezeigt haben mag.

Damit ist keineswegs erkennbar, dass das aus Sicht des Gerichts wenige Zentimeter große Hakenkreuz ohne Weiteres von einer unbestimmten Vielzahl von Personen optisch wahrgenommen werden konnte. Weder um den Stuhlkreis noch um die Schlafunterlage des Angeschuldigten ist in irgendeiner Weise "Publikumsverkehr" erkennbar.

Allein die Tatsache, dass der Mitangeschuldigte          in seiner polizeilichen Vernehmung vom               mutmaßt, dass der Mitangeschuldigte           bei dem Festival die ganze Zeit eine kurze Hose "angehabt haben dürfte", begründet keinen hinreichenden Tatverdacht des öffentlichen Verwendens, da der Mitangeschuldigte offensichtlich verlässliche Angaben zu der Bekleidung des Angeschuldigten          nicht machen kann. Zudem steht nicht fest, wann das ersichtlich nicht tätowierte Hakenkreuz auf die Wade aufgemalt wurde. Dies könnte wenige Sekunden vor der Videoaufnahme der Fall gewesen sein.

Ein hinreichender Tatverdacht des öffentlichen Verwendens von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation liegt hinsichtlich des Angeschuldigten      daher insoweit nicht vor.

Soweit dem Angeschuldigten            sämtlichen Mitangeschuldigten eine Teilnahme an dem "Hakenkreuzspiel" im Zeitraum vom                vorgeworfen wird, ist ebenfalls die Tatbestandsalternative des öffentlichen Verwendens des Hakenkreuzes nicht mit hinreichendem Tatverdacht ausgefüllt:

Wer das Hakenkreuz gelegt hat, steht nicht fest.

Soweit aufgrund der Angaben des Zeugen              hinsichtlich sämtlicher Angeschuldigter lediglich von einem "Mitspielen" an dem Hammerspiel ausgegangen werden kann, ist aus Sicht des Gerichts das Hämmern auf einen Zentimeter über dem Hakenkreuz befindlichen Nagelkopf nicht als Verwenden des darunter liegenden Hakenkreuzes anzusehen. Verwenden bedeutet Gebrauch der Kennzeichen unter Umständen, die als Bekenntnis zu dem Ziel der verbotenen Organisation aufgefasst werden können (vgl. Schöneke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Auflage, § 86a Randnr. 6 mit weiteren Nachweisen).

Das Klopfen auf einen Zentimeter über dem Hakenkreuz befindlichen Nagelrücken mittels eines Hammers kann hierunter nicht gefasst werden.

Soweit auf der Videosequenz des Angeschuldigten            erkennbar ist, dass die Angeschuldigten                   die Klopapierschnipsel nach Verrutschen wieder zu einem Hakenkreuz herrichten und darin ein Verwenden des Kennzeichens allenfalls bei diesen beiden Angeschuldigten gesehen werden könnte, scheitert der hinreichende Tatverdacht am Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Verwendens:

Wie bereits ausgeführt, ist auf der Videosequenz sichtbar, dass die am Spiel teilnehmenden Personen      ,        ,         ,          ,         in einem engen Stuhlkreis über das auf dem Boden zwischen ihnen angebrachte Hakenkreuz lehnen. Die Sicht auf dieses Hakenkreuz dürfte allein durch die Anwesenheit der umsitzenden Personen für unbeteiligte Dritte erheblich erschwert wenn nicht unmöglich sein. Im Übrigen ist auf der Videosequenz auch nicht das Vorhandensein unbeteiligter Dritter dokumentiert oder wahrscheinlich:

Im Hintergrund der "Spielenden" ist ein Bauzaun erkennbar, der im Übrigen auch auf denen in der Akte befindlichen Bildausdrucken sichtbar ist. Dies belegt, dass sich die "Spielenden" eher in einem hinteren, weniger hochfrequentierten Bereich des Platzes aufgehalten haben dürften. Dass das Kennzeichen, das nach Angaben sämtlicher Zeugen und Mitangeschuldigter lediglich während des Spiels am          gelegt wurde, von einer unbestimmten Vielzahl von Personen ohne weiteres optisch wahrgenommen werden konnte, ist mithin nicht feststellbar. Allein die Tatsache, dass nach Angaben der Zeugen                  der Zeltplatz frei zugänglich war ändert hieran nichts. Auch frei zugänglichen Zeltplätzen können durchaus private "Ecken" entstehen, was auf jedem Campingplatz unschwer beobachtet werden kann.

Im Übrigen hat keiner der Angeschuldigten oder Zeugen bestätigen können, dass während des auf der Videosequenz festgehaltenen Spiels unbeteiligte Dritte auch nur in der Nähe der Spielenden gewesen waren.
Dass nach Zeugenangaben auch Unbeteiligte des Spielenden -irgendwann- zugeschaut haben mögen vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen:

Nach den weiteren Angaben des Angeschuldigten          wurde das Spiel während der Anwesenheit "öfters" gespielt. Lediglich für den Spieltag             ist nach den Angaben der Angeschuldigten und Zeugen sowie nach Auswertung der Videosequenz das möglicherweise kurzfristige Vorhandensein des Hakenkreuzes objektivierbar. Sämtliche Angeschuldigte haben nämlich bestätigt, dass dieses Kreuz erst "im Laufe des Spiels" von einer unbekannten Person gelegt worden sein soll.

Dass während dieses streitigen Zeitraums jedoch eine unbestimmte Vielzahl von Personen dieses Kennzeichen wahrnehmen konnten, ist mithin nicht belegbar, sodass die Tatbestandsalternative des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB in Form des öffentlichen Verwendens des Hakenkreuzsymbols auch für die Angeschuldigten       und           nicht mit hinreichendem Tatverdacht zu füllen ist.

Nach alledem war die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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