Unfallflucht war versuchter Mord

 

Tödlicher Unfall zwischen Runkel und Villmar - Bundesgerichtshof bestätigt Limburger Urteil

 

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat die Revision des angeklagten Fahrers und seines Beifahrers gegen ihre Verurteilung wegen eines tödlichen Unfalls abgelehnt. Damit sind beide Urteile rechtskräftig. Entscheidend ist vor allem: Mit der Entscheidung bestätigt der BGH die Limburger Verurteilung wegen versuchten Mordes.

 

Der Bundesgerichtshof hat die Limburger Verurteilung wegen versuchten Mordes bestätigt.

 

Limburg. In den Morgenstunden des 8. Februar 2009 starb ein 18 Jahre alter Schüler auf dem Wirtschaftsweg zwischen Runkel und Villmar. Er war von einem Auto erfasst worden. Am 9. April vergangenen Jahres verurteilte die Jugendkammer des Limburger Landgerichts den Fahrer, der zum Unfallzeitpunkt 18 Jahre alt war, aufgrund der begangenen Flucht nach dem Unfall wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Der acht Jahre ältere Beifahrer erhielt wegen Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort eine Strafe von sechs Monaten (ohne Bewährung).

Beide Urteile sind nun nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Der Fahrer wie sein Begleiter hatten gegen ihre Verurteilung Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof hat die Limburger Urteile jedoch bestätigt.

 

Grundsätzliche Bedeutung

 

Nach Einschätzung von Dr. Andreas Janisch, Sprecher des Landgerichts, hat die Entscheidung des BGH auch für andere Fälle der Unfallflucht grundsätzliche Bedeutung. Wer nach einem Unfall einen Schwerverletzten seinem Schicksal überlässt, bewege sich im Grenzbereich zu einem vorsätzlichen Tötungsdelikt. Die Beteiligung an einem Unfall sei mit der Rechtspflicht zur Hilfe verbunden. Es gehe also für einen Fahrer, der vom Unfallort flüchte, nicht allein um unterlassene Hilfeleistung, sondern um ein Tötungsdelikt durch Unterlassen. Dies habe strafrechtlich besonderes Gewicht. Für die Höhe der Strafe, so Janisch, ist auch von Bedeutung, ob der Verletzte bei rechtzeitiger Hilfe hätte gerettet werden können.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Unfall als fahrlässige Tötung und die anschließende Flucht als ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort bewertet und entsprechend Anklage erhoben. Der Jugendrichter des Amtsgerichts gab das Verfahren an die Jugendkammer des Landgerichts ab, weil er die Flucht als vorsätzliches Tötungsdelikt bewertete.

Eine Einschätzung, die die Jugendkammer teilt. Sie sieht in der Flucht eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben des Unfallopfers und vor allem einen als rechtlich eigenständig zu bewertenden Angriff auf das Leben des Fußgängers. Darauf begründet sich der Vorwurf des versuchten Mordes. Der Fahrer hat nach Einschätzung der Kammer mit seiner Flucht seine Mitschuld am Unfall zielgerichtet verbergen wollen und damit mit Verdeckungsabsicht gehandelt.

Die Kammer sprach den Fahrer wegen des versuchten Mordes, fahrlässiger Tötung und Unfallflucht schuldig und verurteilte und ihn zu einer dreieinhalbjährigen Jugendstrafe. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Jugendstrafe von zwei Jahren mit Bewährung für fahrlässige Tötung und die anschließende Unfallflucht gefordert.

 

Unter Drogeneinfluss

 

Der Fahrer stand bei dem Unfall in den frühen Morgenstunden des 8. Februar 2009 unter Drogeneinfluss und war zudem mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs. Der Wagen erfasste den 18-Jährigen, der stark alkoholisiert auf der Fahrbahn lag. Dessen Körper verkeilte sich unter der Vorderachse und wurde von dem Wagen über 200 Meter mitgeschleift. Als das Auto nicht mehr weiterfahren konnte, stiegen der Fahrer und sein Beifahrer aus und sahen die herausragenden Beine des Opfers. Das Gericht räumte ein, dass der Fahrer und sein Begleiter stark ergriffen waren, aber keiner von beiden habe sich Gewissheit vom Zustand des Unfallopfers verschafft. Die Verletzungen des 18-Jährigen, das stellte sich später im Gerichtsverfahren heraus, waren so gravierend, dass er nicht zu retten gewesen wäre.

Weder der Fahrer noch sein Begleiter versuchten, Hilfe zu leisten oder per Handy einen Krankenwagen zu alarmieren. Stattdessen habe sich der Fahrer nur um den Entzug seiner Fahrerlaubnis gesorgt. Deshalb habe er versucht, den Körper durch Vor- und Rückwärtsfahren zu lösen. Diese rohe Gewalteinwirkung habe weitere schwerste Verletzungen mit tödlicher Folge verursachen können, was dem Fahrer nach Auffassung des Gerichts gleichgültig war.

 

Urteilsgründe 2 KLs - 3 Js 5392/09

 

In den Urteilsgründen, Az.: 2 KLs – 3 Js 5392 / 09, heißt es:

 

„Der Angeklagte              hatte, als er aus dem Fahrzeug ausstieg, erkannt, dass er einen Menschen erfasst und diesen unter seinem Fahrzeug liegend mitgeschleift hatte. Über das Schicksal des Fußgängers hat er sich nicht vergewissert. Der Angeklagte               konnte und hat auch nicht angenommen, dass der Fußgänger bereits verstorben sein könnte (vgl. BGH NJW 1992, 583). Das rohe und äußerst gefährliche Freifahren des Fahrzeugs zeigt, dass dem Angeklagten             das Leben des Verkehrsopfers gleichgültig war. Er stieg zunächst ein und versuchte sowohl durch Rückwärts- als auch Vorwärtsfahren unter Durchdrehen eines Vorderrades das Fahrzeug über den Körper hinweg zu fahren und dies, obschon er erkannt hatte, dass der Kopf des Fußgängers unter dem Fahrzeug war. Schon der erste Startversuch geht mit einer objektiv erheblichen Gefährlichkeit einher. Es drängt sich geradezu auf, dass ein solches beabsichtigtes Freifahren einem erheblich vorgeschädigten Menschen endgültig irreversible Verletzungen zufügt. Die Gefährlichkeit hat auch der Angeklagte              erkannt. Es gehört zum Allgemeinwissen, über das auch der durchschnittlich intelligente Angeklagte          

                verfügt, dass schwer verletzte Personen mit großer Vorsicht zu bewegen sind. Hinzu kommt, dass der Angeklagte              erst vor Monaten an einen Erste-Hilfe-Kurs teilgenommen hatte. In den Handlungen des Angeklagten                 kommt eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben des Verkehrsopfers zum Ausdruck. Er konnte nicht tatsachenfundiert darauf vertrauen, dass er keine weiteren, todesursächlichen Verletzungen zufügen würde. Hinzu kommt, dass der Angeklagte                mehraktig auf den Körper einwirkte. Nach Scheitern des ersten Versuches, durch Gasgeben das Fahrzeug in Bewegung zu setzen, stiegen beide Angeklagten                    aus. Sie versuchten nunmehr das Fahrzeug zunächst von hinten und dann von vorne zu verschieben. Auch hierin sind äußerst gefährliche Handlungen für das Leben des eingeklemmten Verletzten zu sehen. Auch im gemeinsamen Drücken auf die Motorhaube – der Pendelweg beträgt 5 cm- gibt der Angeklagte                zu erkennen, dass es ihm gleichgültig ist, wie sich diese Gewalteinwirkung auf den direkt unter der Motorhaube eingeklemmten Körper auswirkt. In dem letztlich gelungenen Freifahren realisiert sich die Gefährlichkeit der Handlungen. Der Angeklagte                fügt dem erfassten Fußgänger, der zu diesem Zeitpunkt –was zu Gunsten des Angeklagten anzunehmen ist- verstorben war, Rippenserienbrüche und den Riss der Leber zu. Allein der Leberriss wäre als Verletzung aufgrund intensiver innerer Blutungen geeignet, den Tod herbeizuführen. Der Angeklagte                         hat ohne Rücksicht auf tödliche Folgen seinen Willen zur Flucht verwirklicht. Dem Angeklagten kam es darauf an, eine andere Straftat, die von ihm vorgestellte Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässige Körperverletzung, zu verdecken. Der Angeklagte                  wollte sich der Strafverfolgung entziehen. Er wusste, dass er nach dem Konsum illegaler Drogen am Straßenverkehr teilgenommen, mit überhöhter Geschwindigkeit im Nebel gefahren und so einen Menschen erfasst und verletzt hatte. Erfürchtete um den Verlust seines Führerscheins. Der Angeklagte                 handelte in der Absicht der Verdeckung und wollte eine Flucht gleichsam um jeden Preis, auch um den Preis endgültig tödliche Verletzungen. Er handelte mit bedingtem Vorsatz, was rechtlich ausreichend ist. Denn nach der Vorstellung des Angeklagten                    war der Verdeckungserfolg nicht ausschließlich durch den Tod des Opfers erreichbar. Entscheidend war vielmehr, dass der Angeklagte                  mit seinem Fahrzeug die Unfallstelle verlässt“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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